Mit Übung und Schritt-für-Schritt Anleitung
Was sind persönliche Werte?
Ganz einfach ausgedrückt sind persönliche Werte unsere grundsätzlichen Überzeugungen. Sie reflektieren, was uns wichtig ist, wofür wir stehen. Unsere persönlichen Werte lenken unser Verhalten und beeinflussen unsere Entscheidungen. Die Betonung ist auf “persönlich”; es geht nicht um Werte im Sinne von Moral oder religiösen Ansichten.
Warum persönliche Werte wichtig sind
Für mich als Coach sind die persönlichen Werte eines der wichtigsten Werkzeuge in der Arbeit mit meinen Klienten. Sie bilden das Fundament für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in vielen Bereichen, wie beispielsweise ein persönlichen Leitbilds zu erstellen, eine Vision zu entwerfen oder die Planung von Karrierezielen.
Hinter einem länger andauernden Motivationsverlust bei der Arbeit oder dem Wunsch nach einem Karrierewechsel, steht oft eine mangelnde Befriedigung der eigenen Werte, was sich ausdrückt in Gefühlen wie “meine Tätigkeit hat keinen tieferen Sinn” oder “ich bin nicht erfüllt in meinem Job”. Unsere Werte zu kennen, kann uns dabei helfen, die richtigen Karriereentscheidungen zu treffen.
Klarheit zu erlangen über die eigenen Werte hat aber auch positive Auswirkungen auf andere Aspekte in unserem Leben:
Ziele setzen und erreichen
Sich selber Ziele zu setzen und diese zu erreichen, ist schon unter normalen Umständen ein anspruchsvolles Unterfangen. Vor allem wenn du dir ambitionierte Ziele setzt, sind Herausforderungen unausweichlich. Es ist daher wichtig, sicher zu stellen, dass deine Ziele im Einklang mit deinen Werten stehen, also dass du auf etwas hinarbeitest was dir wirklich wichtig ist. Ansonsten kann es schwierig werden, deine Motivation über längere Zeit aufrecht zu erhalten und Schwierigkeiten zu überwinden.
Allgemeines Wohlbefinden
Menschen, die im Einklang mit ihren Werten leben, verspüren tendenziell mehr Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Umgekehrt ausgedrückt, wenn wir unsere persönlichen Werte vernachlässigen, leiden wir mental und emotional. Ich kenne das aus eigener Erfahrung.
Dr. Russ Harris, der Autor von “The Happiness Trap”, stellt die Behauptung auf, dass unsere Werte sogar wichtiger sind als unsere Ziele, denn “es kann sein, dass wir unsere Ziele nicht erreichen, aber wir haben immer die Möglichkeit nach unseren Werten zu leben”.
Entscheidungen treffen
Deine persönlichen Werte sind dein zuverlässigster Wegweiser, wenn es darum geht, schwierige Entscheidungen zu treffen. Wenn du dir absolut im Klaren darüber bist, was du willst und was dir wichtig ist, ersparst du dir eine Menge innerer Diskussionen und triffst Entscheidungen schneller und mit mehr Selbstvertrauen.
Leadership
Sich über seine eigenen Werte klar zu werden, ist ebenfalls ein wichtiger Schritt, um eine effektive Führungsperson zu werden. Studien haben gezeigt, dass Führungspersonen, welche als inspirierend und authentisch wahrgenommen werden, jene sind, welche ihre Werte klar definieren und vorleben. Denn Authentizität, also die Kunst sich selbst zu sein, beruht zu einem grossen Teil darauf, sich seiner Stärken und Schwächen bewusst zu sein sowie seine eigenen Werte zu kennen und konsequent nach ihnen zu handeln.
Möchtest du deine persönlichen Werte entdecken? Die nachfolgende Übung hilft dir dabei.
Übung - Entdecke deine Werte
Lade dir das PDF herunter oder folge der Schritt-für-Schritt-Anleitung unten
Vorbemerkung
Starte mit einem “Anfängergeist”. Oft denken wir, dass wir die Antworten auf gewisse Dinge schon kennen, noch bevor wir richtig begonnen haben, uns mit ihnen zu beschäftigen. Mit dieser, oft unbewussten, Einstellung verhindern wir, einen einen wirklichen Selbstentdeckungsprozess auszulösen. Anfängergeist (engl. beginner’s mind) bezeichnet eine Geisteshaltung, bei welcher alles vollkommen ohne Bewertung und Hintergedanken betrachtet wird. So als würde man alles zum ersten Mal sehen, hören oder erleben.
Persönliche Werte werden entdeckt, nicht ausgewählt. Deine Werte sind ein integraler Bestandteil deiner Persönlichkeit. Der Zweck der nachfolgenden Übung ist es, dir jener Werte bewusst zu werden, welche in diesem Moment für dich wichtig sind. Es geht hier nicht darum, Werte zu finden, die du als erstrebenswert erachtest und welche du in der Zukunft zu einem Teil deiner Persönlichkeit machen möchtest.
Alles, was du für diese Übung brauchst, sind Stift und Papier und einen ungestörten Ort. Wenn du bereit bist, gehe zu Schritt 1 und folge den Anleitungen.
1. Schritt - Überlege dir folgendes...
Dinge die dir Freude machen
Mache eine Liste von Dingen, welche dir Vergnügen bereiten - Was sind deine Interessen und Hobbies? Was ist deine Leidenschaft? Wie verbringst du deine freie Zeit? Notiere alles was dir in den Sinn kommt. Das können aktuelle Dinge sein, aber auch Dinge aus deiner Vergangenheit.
Überlege dir, warum dir diese Dinge Freude machen - Dies ist eine zentraler Punkt der Übung. Zwei Menschen können dasselbe Hobby haben - angenommen, sie spielen beide gerne Tennis - aber ganz unterschiedliche Gründe für ihre Freude an dieser Betätigung. Die eine Person mag vielleicht die Herausforderung und das Kräftemessen, es geht ihr darum zu gewinnen und zu schauen wer der Stärkere ist. Die andere Person hingegen spielt, um in Bewegung zu bleiben und sich fit zu halten, für sie ist Tennis spielen Teil eines aktiven Lebensstils. Nimm dir Zeit und denk über das WARUM nach für jedes der Dinge, die du notiert hast.
Bestimme die Werte - Schreibe zu jedem Punkt die dazugehörigen Werte auf. In manchen Fällen ist ein Wert vielleicht bereits zu Tage getreten als du dir Gedanken zum WARUM gemacht hast. Im Beispiel mit der Person, die Tennis spielt, um zu gewinnen, sind die dahinterliegenden Werte vielleicht “Herausforderung” und “Erfolg”.
Vorbilder
Denke an Menschen, die dich inspirieren - Das können Menschen sein, die du kennst, direkt oder indirekt, aber auch bekannte Persönlichkeiten oder historische Figuren. Der zentrale Punkt ist wiederum WARUM du diese Personen bewunderst oder respektierst. Wofür stehen sie, welche Werte repräsentieren sie?
Wie zuvor, schreibe die Gründe auf bestimme die dazugehörigen Werte.
Negative Erlebnisse
Denke an negative Erlebnisse - Ein weiterer Weg, um deine Werte aufzudecken, besteht darin, dich an Situationen zu erinnern, in welchen du frustriert, traurig oder wütend warst.
Wie hast du dich gefühlt in diesen Situationen und warum? Welche deiner Werte wurden verletzt oder unterdrückt? Schreibe sie auf.
Wenn du Hilfe brauchst, um Werte zu bestimmen, schau dir die untenstehende Liste an (Seite 6 im Übungsheft). Die Liste ist nicht abschliessend, du kannst ohne weiteres Neue hinzufügen.
2. Schritt - Gruppen bilden
Du hast nun eine längere oder kürzere Liste mit Werten. Vielleicht sind es 10, 20 oder sogar 50 Werte. Der nächste Schritt besteht darin, ähnliche Werte zu Gruppen zusammen zu fügen.
Beispiel: Unabhängigkeit, Individualität und Freiheit sind ähnliche Werte. Oder Gemeinschaft, Verbundenheit und Freundschaft sind miteinander verwandt.
3. Schritt - Gemeinsames Thema finden
Schau dir jede Gruppe an und wähle ein Wort, welches die Werte in dieser Gruppe am besten umschreibt. Das kann einer der Werte in der Gruppe sein oder ein neues Wort.
Beispiel: Für die Gruppe mit den Werten Unabhängigkeit, Individualität und Freiheit, könnte ich "Selbständigkeit" wählen als Begriff, der diese Werte am besten repräsentiert.
4. Schritt - Kernwerte bestimmen
Es ist möglich, dass du nach dem vorangegangenen Schritt immer noch eine ganze Menge Werte auf deiner Liste hast. Nun geht es darum, deine Kernwerte zu bestimmen, also jene Werte, die am wichtigsten sind für dich.
Das Ziel ist, fünf bis maximal zehn Kernwerte zu bestimmen. Bei mehr als 10 Werten wird es schwierig, sich an alle zu erinnern und sie wirkungsvoll einzusetzen, zum Beispiel, um schwierige Entscheidungen zu treffen. Sich auf einige wenige zu beschränken, zwingt uns, zu überlegen wer wir sind und was uns wichtig ist.
Frage dich folgendes: Welche Werte sind unentbehrlich in deinem Leben? Welche Werte repräsentieren deine Persönlichkeit am besten?
5. Schritt - In die richtige Reihenfolge bringen
In diesem letzten Schritt wollen wir deine Werte nach ihrer Wichtigkeit ordnen. Dies ist oft der schwierigste Schritt, aber ein sehr zentraler. Es kann sein, dass du Kernwerte hast, welche miteinander in Konflikt stehen. (Zum Beispiel: Wachstum und Stabilität.) Oder dass du in Situationen gerätst, in welchen nicht alle deine Werte erfüllt werden können. In diesem Fall ist es wichtig zu wissen, welche deiner Werte nicht verhandelbar sind.
Notiere hierzu alle deine Kernwerte in zufälliger Reihenfolge auf einem Blatt Papier. Schau dir die ersten zwei Werte an und frage dich “Wenn ich nur einen dieser Werte befriedigen könnte, welchen würde ich wählen?” Gehe im selben Stil durch die restliche Liste, bis deine Werte in der richtigen Reihenfolge sind.
6. Schritt - Überprüfen und Anpassen
Gratulation! Du hast es bis ans Ende der Übung geschafft. Nun ist es Zeit für eine Pause. Mach einen Spaziergang, trinke einen Kaffee oder unternimm etwas, was deinen Kopf frei macht. Ich empfehle dir, die Liste eine Nacht ruhen zu lassen und am nächsten Tag weiterzumachen.
Betrachte deine Kernwerte mit frischen Augen und frage dich:
“Fühlen” sich diese Werte richtig an? Lösen sie etwas aus in dir?
Repräsentieren deine Kernwerte Dinge, für die du einstehen würdest, auch wenn du dich damit in der Minderheit befändest?
Würdest du dich wohl fühlen dabei, deine Werte deinen Freunden und deiner Familie zu zeigen?
Pass deine Liste an, wo nötig. Es ist nichts in Stein gemeisselt.
7. Schritt - Bewusste Wahrnehmung
Beschäftige dich in den kommenden Tagen bewusst mit deinen Werten. Wie zeigen sie sich in deinem Alltag? Wie bestimmen sie dein Verhalten? Jedes mal wenn du eine Entscheidung triffst, versuche zu identifizieren, von welchen Werten du gelenkt wurdest. Kommen neue Werte zum Vorschein, die noch auf deiner Liste fehlen?
Überprüfe deine Liste regelmässig und mache Änderungen (füge neue Werte hinzu, ändere die Reihenfolge, finde einen passenderen Ausdruck um einen bestimmten Wert zu beschreiben, usw.) bis du zufrieden bist.
Schlussbemerkung
Deine persönlichen Werte zu entdecken, ist nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einem authentischen Leben. Zu lernen, deine Werte täglich anzuwenden und nach ihnen zu leben, ist von zentraler Bedeutung für Erfolg und Zufriedenheit.
Der entscheidende Punkt, besonders zu Beginn, ist, deine Werte ständig präsent zu haben. Notiere Sie auf Post-Its und klebe sie an deinen Kühlschrank. Oder richte sie dir als Bildschirmschoner oder Hintergrundbild auf deinem Computer ein.
Identifiziere in deinem Alltag jene Situationen und Verhaltensweisen, welche deine Kernwerte befriedigen. Versuche mehr von diesen in dein Leben zu bringen - und vermeide jene, welche mit deinen Werten in Konflikt stehen. Wann immer du dir ein Ziel setzt oder eine Entscheidung triffst, gehe sicher, dass du deine Kernwerte miteinbeziehst.
Nur indem du deine Werte bewusst und aktiv lebst, werden sie zu deiner persönlichen Entwicklung und deinem Wachstum beitragen.
“Deine Werte zu kennen bedeutet nicht, dass du immer in perfektem Einklang mit ihnen leben wirst. Aber sie dienen dir als Navigationskarte auf deiner Reise durchs Leben.”
-
Amy Blacklock